Idee

Um die Entstehungsgeschichte unseres Filmprojektes zu erklären, sollte ich mich zu Beginn kurz vorstellen: Mein Name ist Marcel Bergmann, ich bin ZDF-Redakteur in der Hauptredaktion Sport und seit einem schweren Autounfall in Kenia im November 1994 an den Rollstuhl gebunden. Meine medizinische Identität nennt sich "Paraplegiker", das heißt, dass ich meine Beine nicht mehr spüre, Arme und Hände aber noch wie früher bewegen kann und daher trotz des Rollstuhls noch relativ selbständig bin. Ich kann in einer behindertengerechten Wohnung alleine leben, fahre mein eigenes umgebautes Auto und reise mit der ZDF-Sportredaktion z.B. im Jahr 2004 zur Fußball-Europameisterschaft nach Portugal, zu den Olympischen Spielen und den Paralympics nach Athen, wie auch im Frühjahr 2006 zu den Winterspielen nach Turin.

Meine große Lust zu reisen und fremde Länder kennenzulernen, habe ich trotz der Behinderung nie verloren. Allein, mit Freunden oder mit der HR Sport war ich im Rollstuhl unter anderem in den Vereinigten Staaten, in Japan, Malaysia, Singapur, auf Hawaii, in Australien und Neuseeland.

Vor einiger Zeit habe ich mir dann noch ein weiteres Land in den Kopf gesetzt, das ich gerne bereisen und kennenlernen würde. Und zwar China, ein Land, dessen Geschichte und Gegenwart und vor allem dessen Landschaften und Menschen mich sehr interessieren.

Als mir dann während des langen Klinikaufenthaltes 2005 in Heidelberg zwei Bücher eines Rollstuhlfahrers in die Hände fielen ("Mein Traum von Indien" und "Meine orientalische Reise" von Andreas Pröve), in denen der Autor über seine Erlebnisse berichtet, die ihm bei verschiedenen Reisen im Rollstuhl durch Indien, durch den Iran, Syrien und Jordanien zuteil wurden, war die Idee plötzlich wieder da, die ich seit längerer Zeit schon mit mir herumgetragen, aber nie umzusetzen gewagt hatte. Nämlich diese meine Reise (Arbeitstitel "Trotzdem China"), begleitet von einem Kamerateam, in einem Film zu dokumentieren.

Von Woche zu Woche wurde dieses Projekt immer mehr zu meinem Kind, das ich in mir trug, das stetig größer und lebhafter wurde, und das mir über einen oft sehr schmerzhaften und traurigen Alltag hinweghalf.

Ich entwarf in Gedanken einen Film, eine Mischung aus Dokumentation und Reportage, über die Reise eines deutschen Rollstuhlfahrers von Schanghai bis hinauf nach Peking und zur Chinesischen Mauer, über seine Erfahrungen auf dieser (ca. dreiwöchigen) Reise, über seine Begegnungen mit den Menschen, über seine Schwierigkeiten aus sprachlichen Gründen und vor allem aus Gründen der Behinderung, über seine Möglichkeiten und Unmöglichkeiten in diesem aufstrebenden Land, - kurz und gut: ich hoffte auf einen Film, der die Liebenswürdigkeit der chinesischen Bevölkerung, die landschaftlichen und architektonischen Schönheiten des Landes, aber vor allem auch die ganz spezielle Reise eines schwerbehinderten Rollstuhlfahrers zeigt, - eine Abenteuerreise, die möglich ist, das weiß ich, wenn auch mit Schwierigkeiten.

Und diese Reise würde ganz sicher auch ein Anreiz sein für eine Vielzahl anderer schwerbehinderter Menschen, da sie ihnen zeigt, dass größere und spannende Unternehmungen auch mit einer Behinderung immer noch möglich sind.

Wichtig: Da der Film authentisch sein soll, brauche ich einen Begleiter an meiner Seite, da ich die Reise alleine so nicht bewerkstelligen könnte. Ich bin angewiesen auf einen Mitreisenden, der unser Gepäck, medizinische Hilfsmittel, Rollstuhl-Ersatzteile usw. transportiert, und der mir in schwierigen Situationen zur Seite steht.

Ich dachte sofort an meinen chinesischer Freund, den ich im Sommer 1991 in Malaysia kennengelernt habe, der die deutsche Sprache sehr gut beherrscht und der also auch sprachlich die Brücke schlagen könnte zwischen dem Fremden und dem Reiseland. Und trotz beruflicher und vor allem privater (Familienvater-) Pflichten liess sich Ham Mow Wai von der Idee überzeugen. Dass wir diese Reise nun zusammen machen werden, ist für mich ein wertvolles Geschenk.

Als Reisezeit bietet sich aus meteorologischen Gründen der Herbst (September/Oktober) an.

Irgendwo auf der Reise würde ich gerne bei einem Volksfest dabei sein, eine Grundschule/einen Kindergarten besuchen, eine paralympische Wettkampfstätte bestaunen, das Innenleben einer Restaurantküche kennenlernen, zu Gast sein bei einer Opernaufführung (in Peking), ein größeres Sportereignis live miterleben, ein Behindertenheim besuchen, einen Fernseh- oder Radiosender...

Der Film sollte versuchen, alle möglichen Bandbreiten zu zeigen: Fortbewegung in Flugzeug, Hubschrauber, Zug, Bus, Auto (Taxi), Boot, Rollstuhl (mit oder ohne Handbike), Übernachtung in Drei-Sterne-Hotel, Rucksack-Pension, Jugendherberge, im Schlafsack beim Bauern auf dem Land usw.

Dies alles ist nicht mehr und nicht weniger als eine erste filmische Idee, die natürlich noch von der Wirklichkeit überprüft werden muss.